Der Übergang von Hörspielcassetten zu Musicassetten (wie man sie damals nannte) ist bei mir durch Baccaras "Yes Sir, I Can Boogie" bzw. "Sorry, I'm A Lady" gekennzeichnet. Ihr erinnert Euch noch an diese beiden spanischen Schnicksen, eine rothaarige, eine dunkelhaarige? Ich war hin & weg von den beiden!
Hab' die mit sieben oder acht bei meinem Vater gehört - der hatte die Platte und hat sie mir auf Case überspielt. Die hab' ich dann so ca. ein Jahr ununterbrochen 'rauf & runter georgelt, bis ich - damals unausweichlich - auf Abba stieß. Die traten in 'ner Musiksendung gemeinsam mit Uriah Heep auf, welche dort (damals kamen die Bands ja noch direkt ins Fernsehstudio, nix mit Video) ihren '78er Sommerhit "Free Me" schmetterten, von dem ich restlos begeistert war. Uriah Heep hab' ich dann so etwa bis zu meinem elften, zwölften Lebensjahr kultisch verehrt (alle drei Monate wurde vom zusammengesparten Taschengeld 'ne neue Cassette erstanden - Plattenspieler hatte ich damals noch keinen), bis ich - ebenfalls durch Musiksendungsüberschneidungen - auf Motörhead stieß. Ab da wusste ich schon mal mit absoluter Sicherheit, dass der Hammer
nicht bei Abba hängt. Thomas Gottschalk schließlich - ja, der! - nahm maßgeblichen Einfluss auf meine musikalische Sozialisation, indem er - ich werde etwa 13, 14 gewesen sein - in der anno dunnemals von ihm moderierten Radiosendung "Pop nach acht" auf Bayern3 "Anarchy in the UK" von den Sex Pistols spielte. Das war eine Offenbarung ungeahnten Ausmaßes und für mich der Übergang zum Punk, und der war bei mir in jeder Hinsicht - kulturell, sozial, familiär, schulisch/beruflich - folgenschwer. Danach kam dann der ganze Anfang-Mitte-80er-Punkkrempel ...
Parallel dazu hab' ich jedoch - der Übergang kam wohl durch Siouxsie, Bauhaus, Joy Division & Co. zustande - immer mehr Gothickram gehört, damals waren das so Sachen wie Xmal Deutschland, Sex Gang Children, Alen Sex Fiend, Christian Death usw. usf. - Auch meine erste Begegnung mit "Krach" verkörperte sich in den Neubauten: "Kollaps" war meine erste EN-Platte, und ich war sprachlos! Nachdem in meiner Heimatstadt Würzburg schließlich ein - für dieses Provinznest ohnehin, aber selbst im absoluten Vergleich - unglaublicher Plattenladen aufgemacht hatte, kamen dann in schneller Folge Sachen wie SPK und TG hinzu, später Coil (mit "Scatology" haben wir damals die ersten Drogenexperimente gemacht und ich kann nur sagen: die Mischung war perfekt!
), Lustmord usw. und damit war ich dann endgültig "auf der Spur".
Ende der 80er hab' ich begonnen, meine Tonträger bei den einschlägigen "Pionieren" zu bestellen: Artware, Cthulhu und Franz Liebl ... letzterer vermittelte mich an Tesco weiter, die damals gerade ihre Mailorderklitsche aufbauten und noch durch ein betont freundliches, entgegenkommendes Verhalten und moderate Preise bestachen - lang, lang ist's her ...
Was übrigens die Popmusik der 80er angeht, so bin ich geneigt, folgendem Statement vollumfänglich beizzupflichten:
haiwire hat geschrieben:es gab damals wie heute ungefähr gleich viel schrott.
Dass man das heute anders empfindet, liegt m. E. in erster Linie am eigenen Wachstum, will heißen, der Schrott der 80er ist heute von einer verklärenden nostalgischen Patina überzogen, so dass er viel weniger schrottig als damals erscheint. Dieser Eindruck scheint mir aber - in aller Regel zumindestens - ein trügerischer zu sein ...
"Der gebildete Mensch hat die Pflicht, intolerant zu sein." - Nicolás Gómez Dávila