softwarepatente - the final countdown

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softwarepatente - the final countdown

Beitragvon vac » 23.06.2005 (22:42)

am 06.07. ist es soweit. aller voraussicht nach wird vollkommen unbemerkt von der öffentlichkeit (es berichten weder fernsehen noch der großteil der medien davon...) in brüssel das ende der it-welt wie sie bisher existierte eingeläutet. viele klein- und mittelständische softwareentwickler sehen sich in ihrer existenz bedroht (eine entsprechende studie des bundeswirtschaftsministeriums wurde nicht veröffentlicht, da die ergebnisse nicht "wissenschaftlich fundiert" seien) - zehntausende arbeitsplätze stehen auf dem spiel.

die großen lobbys und die patentanwälte werden schon mal den schampus kaltgestellen, schließlich verheisst das doch weniger konkurrenz und mehreinnahmen (fast) ohne eigene arbeit. am 07.07. findet an der tu chemnitz ein vortrag unter dem motto "kann man software patentieren?" statt - veranstaltet von patentanwälten. da fragt man sich schon, ob das absicht ist - werden da die ergebnisse der weisungsgemäßen abstimmung vom vortrag anschaulich vorgetragen?

vollkommen überraschend schwenkten kürzlich ein teil der bisherigen patentgegner im eu-parlament auf pro-patent-kurs um. heute wurde bekannt, welche beweggründe der mann hinter diesem stimmungsumschwung innerhalb der volkspartei hat - er ist anwalt bei einer großen kanzlei in düsseldorf, die sich auf gewerblichen rechtsschutz und patentwesen spezialisiert hat. übrigens nicht über jahre hinweg, sondern seit oktober 2003 (in etwa so lang läuft der hickhack um die softwarepatente). gesprächstermine mit vertretern mittelständischer softwareunternehmen aus nrw wurden mit hinweis auf einen "übervollen terminkalender" über wochen hinweg abgelehnt. in meinen augen ein skandal ohnesgleichen, der aber wiederum in den medien vollkommen ungehört bleibt. da wird lieber über onlinespiele in korea oder internetmonopoly in london berichtet.

mein mitleid an all diejenigen, die sich für das informatik- statt dem jurastudium entschieden haben. :(

die politik zeigt einmal mehr, wessen kind sie ist und wessen interessen sie dient. in meinen augen ist die eu das beste was den großen lobbys passieren konnte - weniger zeit, weniger ausgaben, mehr einfluss in ganz europa.
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Beitragvon And242 » 24.06.2005 (8:18)

Was genau sind jetzt die Konsequenzen? Hab viel Bla Bla gelesen und das die Software bald teurer werden soll.
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Beitragvon vac » 24.06.2005 (8:23)

die konsequenzen sind, dass patentinhaber konkurrenten beliebig bankrott klagen und/oder lizenzgebühren für abstruseste sachen verlangen können. ein schönes beispiel: http://webshop.ffii.org/index.de.html

kleine unternehmen haben idr keine patente, mittelständische kaum und die großen tauschen lizenzen im bündel ("du darfst meine patente 123 und 987 benutzen, dafür erhalte ich von dir lizenzen für abc und xyz"). was das heißt, kann sich jeder selbst ausmalen.
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Beitragvon And242 » 24.06.2005 (8:28)

Hat das Konsequenzen auf private Seiten? Ich denke mal an das Patent: Link zu einem Bild.
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Beitragvon vac » 24.06.2005 (8:32)

And242 hat geschrieben:Hat das Konsequenzen auf private Seiten? Ich denke mal an das Patent: Link zu einem Bild.


ich glaube nicht. patente sind für gewerbliche schutzansprüche und werden damit eigentlich nicht gegen privatpersonen eingesetzt.

für so einige (mich z.b.) wird es sich wohl nur beruflich fatal auswirken. wohl dem, der nach dem studium eine stelle bei ibm, siemens oder microsoft bekommen hat.
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Beitragvon vac » 24.06.2005 (9:18)

wer etwas tun will, kann sich hier "seine" abgeordneten heraussuchen und kontaktieren (idealerweise per telefon oder brief, email geht schneller, hat aber praktisch null resonanz, da "spamartige" wirkung).

als basis mal c&p ein brief (man sollte allerdings die rechtschreibefehler rausmachen...), den ich ein wenig ergänzt habe:

Sie werden im Europäischen Parlament in den nächsten Tagen mit darüber zu befinden haben, ob es in der EU möglich sein wird, einen Patantschutz auf rein computer-implementierte Erfindungen zu erlangen. Ich bitte Sie unter Verweis auf die Seiten der FFII (http://www.ffii.org/index.de.html) darum, den Emfehlungen des Rechtsausschusses des Europäischen Parlamentes nicht zu folgen, sondern mit Sorge zu tragen, dass ein Patent einen technischen Bezug mit Wirkung auf die Naturkräfte voraussetzt.

Diese Voraussetzung wurde auch von einer überparteilichen Mehrheit des Deutschen Bundestages befürwortet
(http://www.heise.de/newsticker/meldung/56540) und wird von einer Regierungsstudie untermauert (http://www.heise.de/newsticker/meldung/58222).

Ein kleines Beispiel über die ansonsten plötzlich durchsetzbaren Patente finden Sie z.B. hier: http://webshop.ffii.org/ - ein Sammelsurium von auf breitester Front verwendeten Techniken und "Erfindungen", die z.T. derartig offensichtlich sind, daß es schon weh tut, dass darauf vom Europäischen Patentamt widerrechtlich bereits (bisher nicht durchsetzbare) Patente erteilt worden sind.

Die Widersinnigkeit von Softwarepatenten zeigt sich u.a. darin, daß sie inzwischen selbst in den USA, aus denen diese Idee kommt, als Wachstumsbremse und Innovationshemmnis betrachtet werden. Die USA unternehmen inzwischen Anstrengungen, die Patentierbarkeit von Software wieder rückgängig zu machen (http://www.heise.de/newsticker/meldung/59021), da sie zu einem Wegbrechen des gesamten Mittelstandes in der IT-Branche geführt haben und damit der Nachwuchs mit neuen Ideen keine Arbeitsbasis außerhalb von Weltkonzernen mehr hat.

Welche Auswirkungen die zur Abstimmung stehenden Punkte auf klein- und mittelständische Unternehmen (welche den Großteil der Arbeitsplätze auch in diesem Bereich stellen) haben, kann (gestützt auf Beobachtungen namhafter Unternehmensberatungen wie bspw. PriceWaterhouseCoopers) kurz und knapp unter http://www.nosoftwarepatents.com/de/m/dangers/sme.html nachgelesen werden. Erwähnt sei an dieser Stelle die produktlose sogenannte "Patentmafia" - Unternehmen, die selbst keine Leistungen erbringen, sondern ihr Geld mit Lizenzgebühren aus Ideen (Patenten) verdienen. Ein klein- oder mittelständisches Unternehmen wird nie in der Lage sein, bei der Entwicklung von Software jedes der erteilten Patente (allein IBM hält 40.000 Patente in diesem Bereich!) überprüfen und berücksichtigen zu können (es sei mir gestattet, erneut auf den Demo-Webshop der FFII zu verweisen). Diese Unsicherheit wirkt existenzbedrohend für viele kleinere Firmen!

Es ist keine Frage, dass eine durchdachte Innovationspolitik auch den Rechtsschutz von geistigen Leistungen erfordert. Deshalb wird Software bereits heute vom Urheberrecht geschützt. Das Patentrecht hat allerdings wenig mit Schutz zu tun. Im Gegenteil: Das Patentrecht stellt ein gewaltiges Risiko für wahre Innovatoren dar, weil ihre eigenständigen Kreationen von Erpressern und böswilligen Konkurrenten angegriffen werden können.

Ich bitte sie nochmal: Bitte stimmten Sie gegen die reinen Software-Patente und folgen Sie der Empfehlung der FFII. Die europäische Writschaft wird es Ihnen danken.

Mit freundlichen Grüßen,
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Beitragvon And242 » 24.06.2005 (11:32)

Solidarität ist eine Sache, aber kann man gegen die großen überhaupt etwas ausrichten?
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Beitragvon vac » 24.06.2005 (16:22)

in einem anderen forum sind wir fleißig am diskutieren, einer hat auch mal bei der dpa angerufen und die haben um weitergehende informationen gebeten. er hat mal die heise-links hingeschickt (insbesondere über den fall mit der doppeltätigkeit) - mal schauen.

ansonsten: natürlich hat man gegen die großen keine echte chance. aber es gibt ein zitat von brecht, an das ich immer wieder gern erinnere:

B. Brecht hat geschrieben:"Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren."
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Beitragvon And242 » 24.06.2005 (19:16)

Ein Optimist könnte das auch anders auslegen.

Wer kämpft, der kann auch verlieren und hat letztendlich die Gewissheit, verloren zu haben.
Wer es nicht versucht, hat immer noch die Möglichkeit zu gewinnen. Mit einem starken Selbstbewusstsein fühlt man sich dann schließlich als Gewinner.

Vor über 10 Jahren hab ich mich tierisch über die hohen CD-Preise aufgeregt. "Man müsste mal einen Monat keine kaufen, damit die da oben etwas merken". Natürlich hat niemand mitgemacht.

Jahre später kam dann mp3. Und siehe da, sie merken etwas :wink:
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Beitragvon vac » 28.06.2005 (14:48)

ui, jetzt wird auch der mittelstand mal deutlich:

Stein des Anstoßes sind weit gehend formalisierte Schreiben, welche deutsche EVP-Vertreter wie Karsten Hoppenstedt an besorgte Bürger und Unternehmer verschicken. Die darin zum Ausdruck kommende offizielle Position der Unionsvertreter im EU-Parlament lautet, dass mit der Ratsversion "Computerprogramme als solche" nicht patentierbar wären. Ansprüche auf einen staatlichen Monopolschutz hätten nur Erfindungen mit integrierter Software wie Autobremssysteme oder Steuerungsprogramme für Waschmaschinen. Die CDU/CSU-Abgeordneten erwähnen aber nicht die vielen Hintertüren zur reinen Softwarepatentierung, welche die Minister in ihren Entwurf eingebaut haben.

...

Patente auf Geschäftsmethoden sollen nach der Ansage der Ratsmitglieder sowie der Unionsvertreter jedoch in Europa gerade nicht gewährt werden, um die gefürchteten "amerikanischen Verhältnisse" im Patentsystem zu vermeiden. "Von SAP bekommen Sie keine Waschmaschinen, Handys oder ABS-Bremsen", betonen die Mittelständler. "SAP entwickelt auch keine 'technische' Software für Computertomographen oder Kernkraftwerke. Nein, mit der Software von SAP werden kaufmännische Bücher geführt, Aufträge bearbeitet und Rechnungen erstellt. Das ist 'Software als solche'."

Laut der Unternehmerinitiative würde eine derartige "fatale" Weichenstellung "Wachstum und Arbeitsplätze" kosten. "Warum wollen Sie, dass SAP und Siemens die Arbeit ihrer indischen Programmierer in Europa patentieren lassen und damit deutsche Mittelständler bedrohen können?", lautet ihre Frage. "Sollten Sie selbst an diesem Punkt noch das Offenkundige verleugnen, handeln Sie sich den Vorwurf ein, systematischen Betrug am Wähler zu begehen und durch die Verbreitung von Desinformation unternehmerische Fehlentscheidungen, die im falschen Vertrauen auf die wirtschaftspolitische Kompetenz der CDU und CSU getroffen werden, zu verschulden." Einher damit geht die Bitte, die EVP-Kollegen aus Finnland, Tschechien und Polen zu unterstützen, die reinen Softwarepatenten einen Riegel vorschieben wollen -- ohne programmgesteuerte technische Erfindungen etwa bei Waschmaschinen von Schutzansprüchen auszunehmen.


http://www.heise.de/newsticker/meldung/61161

schade das ich meine briefe gestern schon abgeschickt habe, das hätte gut hineingepasst :(

ich bin gespannt ob es was bringt, befürchte aber, dass das thema wieder einfach ausgesessen wird. ist ja nur noch ne gute woche, dann geben die lobbys ruhe. :roll:
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Beitragvon vac » 06.07.2005 (12:30)

jaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!1111111111111111111111einseinseins

Mit überwältigender Mehrheit haben die EU-Abgeordneten nach der kontroversen Debatte am gestrigen Dienstag nunmehr am heutigen Mittwochmittag in ihrer Plenarsitzung in Straßburg dem Vorschlag des EU-Rates für eine Richtlinie zur Patentierbarkeit "computerimplementierter Erfindungen" abgelehnt. 648 von 680 abgegebenen Stimmen votierten für einen entsprechenden Antrag, der von mehreren Fraktionen unterstützt worden war. Nur 14 Parlamentarier stimmten gegen die vorzeitige Beerdigung der Richtlinie, 18 enthielten sich. Insgesamt gingen 680 der 732 Abgeordneten zur Wahl, was für die Bedeutung des früheren Randthemas der Wirtschaftspolitik spricht.


:party: :party: :party:

sehr, sehr krass wie sich das die letzten tage noch entwickelt hat. :shock:
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Beitragvon MINOR » 06.07.2005 (12:58)

da bin ich auch ersteinmal zufrieden...

von außen betrachtet ist es natürlich traurig, mit welchem Mist sich die Menschheit heutzutage herumquält :shock:
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herzlichen Glückwunsch und so

Beitragvon schwarm » 06.07.2005 (13:39)

Jedoch wird es nicht mehr lange dauern bis die Konzerne die Macht ueber die Welt auch offensichtlich haben, der Shadowrun wird kommen.

bin ich ueberzeugt von.
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Beitragvon MK » 06.07.2005 (14:03)

And242 hat geschrieben:Vor über 10 Jahren hab ich mich tierisch über die hohen CD-Preise aufgeregt. "Man müsste mal einen Monat keine kaufen, damit die da oben etwas merken". Natürlich hat niemand mitgemacht.


Und jetzt bieten die Preise keinen Grund zur Aufregung? Mit dem EURO sind Tonträger auch beträchtlich "aufgerundet" worden, was früher glatte 25 DM (gut 12,50 EURO) kostete, wird nun zu 14 EURO plus gehandelt... Hatten wir ja schon ananderer Stelle mit den sog. "Raritäten" - was früher 250 DM war, ist jetzt 250 EURO "wert"... tststs...

And242 hat geschrieben:Jahre später kam dann mp3. Und siehe da, sie merken etwas


Wie jetzt, die Majors? Sorry, aber MP3 Download im großen Stil schadet letztendlich nur den Indies - Künstler sowie Label. Die Majors, da die sich ohnehin einen Dreck für Künstler, Integrität und Qualität interessieren, passen sich schön an die neue Situation an: Unrentable Künstler werden gekickt (in der Regel das komplette Indie-Feld) und das Marketing wird an rentablerer Stelle verstärkt. 50 Cent und Christina machen ihre Milliönchen sicherlich nicht mit Album-Verkäufen...
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Beitragvon Ulbricht » 06.07.2005 (14:08)

Der "Shadowrun" mag kommen... aber ich denke nicht daß die Softwarepatententscheidung nur ein Pyrrhussieg ist... man wird sehen.

Hm, Ich zahle im Schnitt für neue CDs nie mehr als 13 Euro...
Aber das ist dann auch das "Indiefeld" welches ich direkt von den kleinen Labels und angegliedertem Mailorder beziehe.

Ich habe seit Jahren keine CDs mehr im Handel gekauft - mit der Ausnahme von Gebrauchtware oder Sonderangeboten.
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